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Berlinale 2011 – Film des Tages: The Guard – Panorama

The Guard

Die Szenerie dieses Films ist die irische Provinz, mit Anklängen von der Insel des satten Grüns und irischem Idyll. Aber schon die Eröffnungssequenz mit einer makaber abgelegten Leiche, welche den Titelhelden auf den Plan ruft, einen in die Jahre gekommenen bulligen Kleinstadtpolizisten, lässt es klar werden, dass hier keine heile Welt besteht, eher das Gegenteil. Die Interieurs mit ihren bizarren Zügen und etlichen visuellen Kunstgriffen der Kamera erinnern im gesamten Verlauf des Films immer wieder hieran.

Gerry Boyle heisst dieser Polizist, und seine Grundeigenschaft besteht darin, dass ihn nichts aus der Ruhe bringt. Sein zweites prägendes Merkmal ist der völlige Verzicht auf überflüssige Freundlichkeiten, wozu sich im Laufe der Handlung einige Schrullen gesellen, wie man sie fast nur in Werken aus dem anglo-irischen Umfeld findet. Das plötzliche Verschwinden seines neuen Kollegen, eines durchaus unwillkommenen, eifrigen jungen Mannes aus der Stadt, versetzt ihn ebenfalls kaum in Wallung. Dann gesellt sich noch Zuwachs aus den USA in die Szenerie, und der passt so gut dorthin wie ein Unternehmensberater in die Suppenküche: er redet gebildet daher in einem so ganz fremden Akzent, er trägt gute Anzüge, und er ist ein Schwarzer. Dieser Wendell Everett kommt vom FBI und ist auf der Jagd nach einem grossen Drogenring. Was ihm an offensivem Rassismus von den Kollegen, vor allem von Boyle entgegenschlägt, macht den mit allen Wassern gewaschenen Agenten dann doch genauso sprachlos wie die als Zeugen befragten Anwohner, die ihm hartnäckig auf gälisch antworten und jede Kommunikation verweigern.

Brendan Gleeson gibt den Gerry Boyle mit Spielfreude, Mut zur Hässlichkeit wie zum Tabubruch, und grosser Authentizität.  Man mag ihn nicht zum Gegner haben, möchte auch mehrfach ob seiner höchst eigenwilligen Pflichtauffassung verzweifeln, und weiss doch, dass er letztlich einer von den Guten ist.  Ein Guter, der sich ohne jede Sentimentalität seiner sterbenden Mutter (Fionnula Flanagan macht viel aus dieser Nebenrolle) widmet, sich zwei Prostituierte für einen flotten Dreier kommen lässt, und mit bäriger Gelassenheit den Gangster, der ihn gleich umbringen wird, erst einmal in ein Schwätzchen verwickelt.  Don Cheadle als das aus den USA angereiste genaue Gegenmodell eines Polizisten, mit wissenschaftlicher Herangehensweise und Manager-Methoden, kann sich an diesem Trumm herrlich abarbeiten und in komischer Verzweiflung ergehen. Natürlich raufen die beiden sich schliesslich zusammen und gehen den unvermeidlichen Showdown zum Ende als verschworenes Team an, doch der Weg dorthin ist fintenreich und sehr amüsant.

The Guard ist ein ausgesprochen gelungener Film, er bringt zum Lachen, er hat Spannung, viele gute Ideen, ein munteres Personal, bei dem auch die Kurzauftritte gelingen, die Charaktere plastisch werden lassen und für sie einnehmen. Das Ende verträgt keine allzu gründliche Überprüfung auf Plausibilität, aber das sieht man dem Streifen nach 96 nie langweiligen Minuten gerne nach. Regisseur John Michael McDonagh ist ein Wurf gelungen, der das Zeug zum Dauerbrenner in Programmkinos und gerne mehrfach wiedergesehener Ausstrahlung auf den etwas anspruchsvolleren TV-Stationen hat.

Frank B. Halfar

The Guard; von John Michael McGonagh; mit Brendan Gleeson, Don Cheadle, Mark Strong; Irland, Grossbritannien; 2010; 96 Min.

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Frank B. Halfar

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